Begründungen für Fehlzeiten bei Maßnahmen

Verspätungen hatten wir ja schon. Nun kommen wir zu den Begründungen für Fehlzeiten.
Eine Fehlzeit kann durch Verspätungen z. B. nach einer Pause entstehen, sich aber auch über Tage, Wochen oder gar Monate erstrecken. In dieser Zeit fehlt die Person nunmal. Eine Entschuldigung, die vom Jobcenter und vom jeweiligen Bildungsträger auf jeden Fall akzeptiert wird, ist entweder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (und nein, Mamas oder Papas Entschuldigungsschreiben gelten wirklich nicht mehr) oder eine Bescheinigung vom Kinderarzt, wenn das Kind von einem Sorgeberechtigten betreut werden muss, die Einladung zu einem Termin beim Jobcenter – aber nur für diese Zeit, zum Vorstellungsgespräch, zum Probearbeiten usw.

Unsere Teilnehmer haben aber manchmal andere, teils sehr kreative Begründungen, die leider nicht zu den offiziell anerkannten Entschuldigungen gehören:

  • Das bringt nichts und ich kriege eh kein Geld dafür. Also kann ich auch wegbleiben.
  • Ich musste einem Freund beim Umzug helfen.
  • Die Ratte meines Nachbarn ist gestorben.
  • Die Freundin meines Sohnes hat Schluss gemacht.
  • Meine beste Freundin wurde schon wieder gefeuert.
  • Ich hatte kein Geld, um hierher zu kommen. – auf die bereits erhaltenen Fahrtkosten angesprochen: „Ja, aber das Geld brauchte ich anderweitig.“
  • wie eben, nur mit Fahrkarte – auf die bereits erhaltene Monatsfahrkarte angesprochen: „Ja, aber mein Freund hat die gebraucht, sonst hätte er nicht in die Stadt fahren können.“
  • Das Lieblingsschwein meiner Mutter ist gestorben.
  • Es war gestern viel zu kalt / zu neblig / zu verregnet.
  • Gestern war doch Sonnenschein, da muss man doch schwimmen gehen!
  • Ich kann nicht jeden Tag in der Woche kommen. Ich hab dafür einfach keine Zeit.
  • Nein, wenn ich jeden Tag in der Woche komme, dann macht mich das psychisch kaputt.
  • Letzte Woche hatte ich Wichtigeres zu tun. ( Und beim Nachhaken bekommt man entweder keine Antwort oder irgendetwas, das auch einfach nur „chillen“ sein kann.)
  • Meine Mannschaft hat verloren.
  • Hab ich echt soooo lange gefehlt? (nach über einem Monat Fehlzeit)
  • Ich habe mir den Super Bowl angeguckt, danach musste ich doch auch mal schlafen.

Vermutlich erinnere ich mich gar nicht mehr an alle. Ich befürchte jedoch, auch kein Arbeitgeber wird eine dieser Begründungen als offiziellen Entschuldigungsgrund akzeptieren. Vor allem nicht solche, weshalb man nicht jeden Tag kommt. 😉

Grenzüberschreitungen von Teilnehmern

Im Moment habe ich nur weibliche Teilnehmer, obwohl es keine Maßnahme nur für Frauen ist. Sie stellten mir einige Fragen, an die viele gar nicht denken bei meinem „Berufsbild“,  was jedoch ebenfalls zum Alltag gehört.
Es ist Teil des Berufs als Dozentin in der Erwachsenenbildung, Schwerpunkt Maßnahmen oder Weiterbildungen in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit / dem Jobcenter, wenn man bei einem Bildungsträger ist und oftmals Langzeitarbeitslose zu den Teilnehmern gehören.

Das waren einige Fragen/Themen und hier kommen auch die Antworten. (Ich denke nicht, dass ich einen Leser zum Besuch meiner Maßnahme überreden kann mit dem Hinweis: „Da beantworte ich auch alles.“ Oder? *g*)

Hatten Sie schon mal Gruppen, in denen nur oder fast nur Männer waren?
Ja, öfters.
Auch Gruppen, bei denen viele um die 20 Jahre alt waren und sich die Kerle dementsprechend gegenseitig versuchten, mit Sprüchen zu imponieren.

Haben Sie schon Sprüche gehört, die unter die Gürtellinie gingen?
Ja, oft. Zart beseitet und auf den Mund gefallen darf frau auf gar keinen Fall sein. Männer ebenfalls nicht – aber als Frau kommen solche „Angriffe“ wirklich deutlich häufiger.
Natürlich sollten die Konter immer noch innerhalb von gewissen Grenzen sein, also auch wenn es unter die Gürtellinie ging, durch den Konter das wieder über die Gürtellinie zu heben, aber… Tja. Das geht nicht immer, aber massiv persönlich angreifen etc. ist tabu! Sprüche wie „Wer ständig drüber redet, kann am wenigsten mitreden.“ dagegen schon. Und auf das typische Ich-bin-so-toll-Gehabe mit Sprüchen wie „Dafür muss man Eier haben!“ braucht Frau nur darauf aufmerksam zu machen, dass sie so viele hat, dass sie sogar jeden Monat rauswerfen muss. Wie viele Monate hintereinander Mann das denn schafft…
Wobei es auch möglich ist, dass frau zwischendurch mal drauf aufmerksam macht, dass der Spruch jetzt wirklich einfach nur noch dämlich war und ein bisschen mehr Niveau und Einfallsreichtum erwartet wird. (Hehe.)

Wurden Sie schon angebaggert?
Jepp. Viel öfter als ich es früher mit 20 wurde, wenn ich wegging. Klar, da sind auch Möchtegern-Casanovas dabei, aber die baggern ohnehin jede Frau an. Erstaunlicher finde ich es, dass ich ebenso schon von ruhigeren angebaggert oder zumindest angeflirtet wurde. Ich glaube jedoch nicht, dass es am Alter, Aussehen oder sonstwas liegt, sondern eher daran, dass ich nunmal einfach jeden Tag während der Dauer der Maßnahme gesehen werde. Als Dozentin stehe ich da vorne im Mittelpunkt, auf dem Präsentierteller, und da ich scheinbar ganz umgänglich bin, passiert das halt.

Wurden Sie schon angefasst?
Leider ja. Demonstrativ die Hand, die da grabscht, nehmen und „wegwerfen“, dabei böse gucken, hilft bei den meisten Männern bereits. Oder auch sehr deutlich wegschieben.  Andere muss man drauf ansprechen. Ein Fall war wirklich massiv, da hatten dann ein männlicher Kollege, der Teilnehmer und ich ein Gespräch. Ergebnis: Selbst dann hat der Teilnehmer es nicht verstanden und tat so, als ob ich maßlos übertreibe. Das ist aber in über zehn Jahren nur ein einziges Mal vorgekommen und somit eine vollkommene Ausnahme.

Wurden Sie auch schon viel zu persönliche Sachen gefragt?
Ja, mehrmals, meistens sogar von Frauen. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich verhörmäßig gefragt werde,  ob ich verheiratet bin/liiert bin etc. und dann sofort die Frage nach den Kindern kommt und dann wieso ich keine habe blablabla und mir am besten noch erklärt wird, ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, dass ich dadurch ja keine richtige Frau bin usw. Einmal habe ich einfach mal geantwortet, dass ich keine bekommen kann. Patsch! Stille!
Das ist mein Privatleben und das sollte ja wohl auch in diesem Beruf nicht im Mittelpunkt stehen, oder?

Selten, leider aber auch schon vorgekommen: Ein männlicher Teilnehmer versucht, meine sexuellen Vorlieben herauszufinden. Sadistin, immer nur Sadistin, ist ja wohl klar, oder? Deshalb habe ich doch diesen Job!

Hatten Sie schon aggressive Teilnehmer?
Mehrmals. Da reicht schon der Frust übers Jobcenter und dass an einer Maßnahme teilgenommen werden muss, das jemand aggressiv auftritt.  Und nein, nicht nur Männer kommen mit Wut im Bauch zu uns.

Mussten Sie schon jemand rauswerfen?
Ja, zum Beispiel weil andere Teilnehmer bedroht wurden oder ich massiv beleidigt wurde. Einmal folgte sogar ein Hausverbot.

Kurz:
Selbst wenn es manchmal so aussieht, als ob der Dozent in der Maßnahme einen ganz lockeren Job hat, so ganz einfach und locker ist es nicht. Außer natürlich, man gehört zu den Dozenten, die Teilnehmer meiden und sofort nach der Überprüfung der Anwesenheit verschwinden. Soll es ja auch etliche geben.

Und genau diejenigen meiner Teilnehmer, die zu mir meinten, sie könnten ganz easy meinen Job machen, waren diejenigen, bei denen ich mir sofort dachte: „Oh nein, das würde in einer Katastrophe enden.“
Fürs Eingeschnapptsein, selbst Aggressionen verteilen etc. ist dort kein Platz, genauso würden allzu nette Menschen, die immer auf Harmoniekurs sind, gnadenlos bei manchen Gruppen untergehen. Ein dickes Fell, sich oft nichts anmerken lassen, ordentlich „Frustrationstoleranz“, Schlagfertigkeit, ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung, trotzdem auch Einfühlungsvermögen und notfalls klipp und klar in die Schranken weisen können, das wird benötigt. Das musste ich über Jahre lernen und ich bin immer noch nicht an dem Punkt, an dem ich behaupten würde: „Genau so geht’s.“ Für Patentrezepte sind Menschen zu unterschiedlich.

Hilfe, keiner versteht mich

Nö, damit meine ich nicht das mitleiderhaschende „Keiner versteht mich.“ und dergleichen, sondern das „Keiner versteht mich!“ im allerwortwörtlichsten Sinne: Keiner spricht meine Sprache.

Keine Seltenheit: Teilnehmer, die zwar in die Maßnahme geschickt werden, aber tausend mal besser in einem Sprachkurs aufgehoben wären.
Ganz nach dem Motto: „Wie geht es Ihnen?“ „Ja.“ „Ähm… Verstehen Sie mich?“ „Ja.“ „Ah, ich sehe es gerade… Sie nehmen bis 12 Uhr teil?“ „Ja.“ „Klappt das denn mit den Fahrzeiten?“ „Ja.“ „Wann fährt denn der nächste Bus?“ „Ja.“

Einmal war es besonders schön: 15 Teilnehmer, davon sprachen zwei fließend deutsch, der Rest extrem gebrochen oder gar nicht.
So, und wie gestaltet man da den Unterricht? Diese Frage kann einem kein Jobcentermitarbeiter beantworten, obwohl die Unterrichtspläne etc. mit dem Jobcenter abgeklärt wurden.
Im Grunde ist es nicht wirklich möglich.
Ab und an kann man die Teilnehmer bitten, die zum Beispiel gut die deutsche Sprache beherrschen, ob sie übersetzen können. Das funktioniert jedoch nicht immer, da nicht immer potentielle Übersetzer vorhanden sind, oder es sich herausstellt, dass der eine Herr zum Beispiel Armenier ist, der Russe zwar fleißig übersetzt – aber der Armenier auch ihn kaum versteht… So bereits geschehen, mehrmals sogar in verschiedenen Konstellationen mit den verschiedensten Sprachen.
Kurz so am Rande: Der armenische Herr kannte nur sehr wenige deutsche Wörter, aber solche wie „Luftschlangen“ waren dabei. Kinder und Kindergeburtstage bilden. *g*

Ich habe ohnehin in der Schule die vollkommen falschen Sprachen gelernt!
Die angebliche Weltsprache Englisch brauche ich im Arbeitsalltag gar nicht, obwohl mir zu Schulzeiten erklärt wurde, jeder würde Englisch beherrschen. Französisch? Kann man teilweise noch eher brauchen, darin war ich jedoch grottenschlecht.
Diese vier Sprachen sollte ein Dozent in der Erwachsenenbildung dringend können, wenn seine Teilnehmer Arbeitslose, vor allem Langzeitarbeitslose sind:

  • Russisch
  • Arabisch (da hilft es ab und an, wenn man Französisch spricht)
  • Türkisch
  • Italienisch (auch hilfreich bei Rumänen)

Andere Sprachen wie Spanisch, Portugiesisch, Polnisch, Tschechisch sind seltener vertreten. Wenn man noch eine fünfte hinzunehmen will, dann am besten Bulgarisch.
Interessant: Viele Menschen aus den asiatischen Ländern können gut genug Deutsch, so dass eine Zusammenarbeit möglich ist, ebenso viele Perser / Afghanen, wobei ich gerade die Perser als sehr wissbegierig kennengelernt habe.

So, nun kennen wir den Störfaktor: Ich habe die falschen Sprachen gelernt. Aber ich muss Unterricht geben… Ja, wie?
Mit einer ordentlichen Portion Humor, viel Reden mit Händen und Füßen, Gesichter ziehen, Pantomime, Strichmännchen an der Tafel… Das funktioniert lange nicht bei allen Themen, aber einige bekommt man tatsächlich sogar so „rüber“!

(Bild: shutterstock.com)

Bringt nix und brauch ich nicht!

„Die ganzen Maßnahmen bringen doch eh nix.“
Schön, wenn das Urteil schon so feststeht und gar nicht erst geschaut wird, ob sich die Inhalte unterscheiden, es vielleicht sogar im Grunde eine Weiterbildung ist oder ein pures Bewerbungstraining, wer der Dozent / Bildungsträger ist und und und. „Bringt nix.“

Dieses „Bringt nix.“ hat einen hartnäckigen Verfolger namens „Brauch ich nicht!“.
Diesen Spruch hört man sogar dann, wenn sich der Teilnehmer kurz zuvor über Verschiedenes beschwert hat und zum Schluss kam, dass er als „Hartzer“ ja ohnehin keine Rechte mehr habe, und man ihm seine Rechte erklären will, vielleicht auch Tipps geben will, damit dies oder jenes besser klappt / nie mehr vorkommt / er ab sofort weiß, wie er sich wehren kann oder andere Hilfen vermitteln will.

„Brauch ich nicht!“ hört man auch gelegentlich in solchen Maßnahmen von jungen Erwachsenen, wenn man sie davon überzeugen will, den Schulabschluss nachzumachen. Oder, wenn der Abschluss vorhanden ist, eine Ausbildung. Öfter kommt jedoch das ehrlichere „Nee, null Bock auf sowas.“

„Bringt nix“ und „Brauch ich nicht“ wird auch gerne verwendet, wenn auf Unpünktlichkeit und Fehlzeiten aufmerksam gemacht wird. Da die Maßnahme nichts bringt, braucht man laut etlichen Teilnehmern auch nicht pünktlich sein.
Und bei einer Arbeitsstelle? Da ist es ja immer anders – bis der Teilnehmer kurioserweise erneut in der gleichen Maßnahme landet und von sich aus vor versammelter Mannschaft erklärt, er habe die Arbeit ja nur verloren, weil er während der Probezeit einige Male zu spät kam. Solche Korinthenkacker „braucht doch kein Mensch“.

„Sie sollten den Umgang mit dem Computer lernen.“ – „Brauch ich nicht. Bringt auch nix, ich bin eh schon so alt.“ Diese Antwort gibt’s sogar schon von 20jährigen.
„Internet braucht kein Mensch.“ – Die Information, dass auch das Smartphone mit dem Internet verbunden ist, dass es ebenfalls ein Rechner ist, wird dabei ignoriert. Die Tatsache, dass man sich damit sogar in den Onlinestellenbörsen umschauen kann, scheint ebenfalls nicht den Weg in einige Köpfe zu finden.

Was all diese Menschen mit all ihren Ausreden gemeinsam haben?

Sie verwenden permanent „Bringt nix.“ und „Brauch ich nicht.“, kombinieren das mit einem ordentlichen Schuss „Ich kann nichts dafür, ich armes Opfer!“ und einer guten Brise „Die Anderen sind schuld“. Die Anderen sind dabei die Gesellschaft, der Staat, die Merkel, die Stadt, das Jobcenter, der Partner, die Kinder, der Hund – und wahnsinnig gerne geben selbst 50jährige noch ihren bösen Eltern die Schuld für alles, was in ihrem Leben schief gelaufen ist.
(Und nein, ich meine wirklich nicht die Menschen, die zum Beispiel nach einem Arbeitsunfall eingeschränkt sind usw. Interessanterweise sind das aber auch gewöhnlich nicht die Dauerjammerer.)

Meist, wenn unsere armen Opfer überhaupt zur Maßnahme gehen, weil sie sonst ihre Leistungen gekürzt bekommen, gehören sie zu einer Art Kundenstamm – immer wieder tauchen sie in Maßnahmen auf, mal bei diesem Bildungsträger und in der einen, dann beim anderen, oft durchlaufen sie sogar mit einem Abstand von ein bis zwei Jahren die gleichen.
Begleitet wird es mit dem Geschimpfe und Gefluche, dass „das Jobcenter“ zu blöd sei und es einfach nicht kapieren würde, dass das alles doch nix bringt.

Seltsamerweise kenne ich jedoch auch einige, bei denen es etwas gebracht hat:
Bei Menschen, die sich meistens weiterentwickeln und als erstes fragen: „Was bringt mir das und was kann ich hier mitnehmen? Was kann ich lernen?“

Die besten Ausreden fürs Zuspätkommen

„Ich habe verschlafen.“ ist ja wohl sowas von langweilig, genauso wie „Ich habe den Bus/Zug verpasst.“ oder „Das Auto ist nicht angesprungen.“ Hier kommen viel bessere Begründungen, die ich in all den Jahren als Dozentin gehört habe:

  • „Ich kriege morgen Gäste, da muss ich doch vorher einkaufen!“
  • „Ich musste erst mal Alkohol kaufen.“
  • „Ja, wieso? Es ist doch noch Morgen.“ (Um 12 Uhr mittags.)
  • „Ich habe den Weg nicht gefunden.“ (Der Herr nahm bereits eine Woche teil.)
  • „Das Jobcenter ist schuld. Wegen denen kann ich mir keinen Wecker leisten.“
  • „Mein Hund hat mich nicht geweckt.“
  • „Meine Füße weigerten sich, hierher zu laufen.“
  • „Ich fühlte mich einfach mental nicht stark genug, um pünktlich hierher zu kommen.“
  • „Ich habe mich verlaufen. Und dann musste ich erst einmal herausfinden, wo ich gelandet bin.“ (Nahm auch bereits schon länger teil – und ist in der Stadt aufgewachsen.)
  • „Ich wurde von Außerirdischen entführt.“ 😉