Teilzeit/Vollzeit, Minijob/Midijob…

Mir ist aufgefallen, dass nicht nur meine Teilnehmer bei diesen Begriffen oft verwirrt sind. „Da steht Teilzeit und die bezahlen nur 450 Euro…“ oder „Was heißt denn sozialversicherungspflichtig?“
Kurz und knapp für den ersten Überblick – und nein, das ist keine Rechtsberatung, Beratung eines Steuerberaters oder sonstiges!

Zunächst die Zeitangaben bei Stellenangeboten:

Vollzeit = das, was in dieser Firma/Branche als „volle Stelle“ gilt, meist 37,5-40 Stunden pro Woche, seltener mehr oder weniger
Teilzeit = ein Teil dieser Zeit, also nicht Vollzeit; die Spanne umfasst eine Stunde pro Woche bis 37 Stunden pro Woche
Halbtags(stelle) = das ist ebenfalls Teilzeit, jedoch genauer definiert; meist 18-20 Stunden pro Woche, seltener auch bis zu 25 Stunden

Minijob / Midijob / „normal“ – hier geht’s um den Buttoverdienst (nicht um die Zeit!):

bis 450 Euro/Monat: Minijob, auch geringfügige Beschäftigung genannt; wenn nicht anders vereinbart und kein zweiter Minijob besteht, dann gilt hier üblicherweise brutto = netto, keine Sozialversicherungspflicht (der Arbeitgeber bezahlt eine Pauschale an die Bundesknappschaft, muss angemeldet werden)

450,01 – 1300,00 Euro/Monat: seit dem 01.06.2019 ist dies die neue Grenze, vorher lag sie bei 850 Euro; Midijob oder auch „Übergangsbereich“; ab jetzt werden Sozialversicherungsbeiträge fällig, wobei diese für den Arbeitnehmer stark abhängig vom Bruttoentgelt sind – es fallen also nicht plötzlich die vollen %-Beträge an wie bei einer „normalen“ Arbeitsstelle; auch die Einkommensteuer kann nun fällig sein – der Freibetrag liegt bei 9168 Euro im Jahr (Stand: 2019), bis 14254 Euro / Jahr gilt ein günstigerer Steuersatz

ab 1300,01 Euro/Monat = normales Beschäftigungsverhältnis, was die Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuer betrifft (ob es wirklich „normal“ ist, muss jeder Arbeitnehmer für sich und seine Firma selbst entscheiden *g*)

Bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung kann man einen Minijob nebenher haben. Natürlich kann man auch zwei Minijobs annehmen statt einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, aber wenn es 450 Euro + xxx Euro sind (außer es ist mal ein Monat), dann rutscht man in die Übergangszone! Die Rechnung „och, dann nehme ich halt drei Minijobs, brutto = netto, dann geht’s mir doch blendend“ haut also nicht hin. 😉

Und, sollte das ein findiger Teilnehmer lesen: Die Aufnahme eines Minijobs verhindert es leider nicht, dass man an Maßnahmen teilnehmen muss. Erst ab einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist man draußen.

Selbstständige sind reich

Irgendwie sind viele Bilder, die andere im Kopf haben, recht amüsant. Ein gutes Beispiel ist das Bild über Selbstständige, das ja auch oft in den Medien so gezeigt wird. Die meisten verbinden damit automatisch Menschen, die eine riesengroße Firma haben, zig Angestellte und am allerliebsten nichts arbeiten, sondern arbeiten lassen.

Nun, wenn es so einfach wäre, wie zum Beispiel meine Teilnehmer regelmäßig vermuten, dann frage ich mich schon, wieso sich nicht jeder selbstständig macht und weshalb es überhaupt Arbeiter, Angestellte und auch Arbeitssuchende gibt.

Doch wie sieht es denn so in Realität aus, wenn es sich hierbei um eine der häufigen Einzelunternehmer handelt, der nunmal keine Angestellten hat? Unvorstellbar für meine Teilnehmer.
„Leute, ich bin Freiberufler.“ „Aber nicht selbstständig.“ „Doch. Freiberufler sind Selbstständige.“ „Aber Sie arbeiten doch hier.“
Es ist viel Arbeit, da erst mal klar zu machen, dass man tatsächlich selbst arbeiten geht, woanders arbeitet und trotzdem selbstständig ist.

Witzig wird es, wenn dann die wilden Vermutungen folgen, wie viel ich im Monat verdiene. Also unter 5000 Euro brutto kam ich selten davon. Leider entspricht auch das nicht der Realität. Wenn ich dann versuche klarzumachen, dass ich im Grunde genauso viel Geld verdiene wie eine angestellte Bürokraft, werde ich bisweilen wie eine Lügnerin behandelt, denn das kann ja wohl absolut nicht sein.

Kommen dann noch Tatsachen hinzu wie keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein bezahlter Urlaub, selbstverständlich weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld und überhaupt kein Geld, wenn ich nicht arbeiten gehe, stehen die Münder nur noch offen. Vor allem wenn ich dann noch einen drauf setze: Ich habe keine Kündigungsfrist, ich kann jederzeit von jetzt auf gleich keinen Auftrag mehr haben. Oh, und sozialversichern muss ich mich selbst etc.

Bei einigen wenigen bleibt das hängen. Doch die meisten verdrängen diese Realität, wie sie nunmal bei vielen kleinen Selbstständigen vorherrscht, ganz schnell und erzählen spätestens einen Tag später, dass sie sich ja wohl am besten selbstständig machen sollten. Dann würden andere arbeiten und sie könnten gemütlich zuhause bleiben.
„Aha, und wieso machen Sie das nicht, wenn das so einfach ist?“
„Dafür braucht man viel Geld und ich habe die falschen Eltern / die blöde Bank gibt mir nichts /…“

Alles klar.

Bei manchen liegt mir beinahe die nächste Frage auf der Zunge, ich stelle sie jedoch nur äußerst selten. Da muss mir die Person schon auf den Nerv gehen und sich wirklich als unwillig, unmotiviert etc. geoutet haben (ein Glück dass das lange nicht alle sind!):
„Also daheim bleiben und andere arbeiten lassen – wo ist da zu jetzt der Unterschied?“